Die Rückkehr des Esels ins Heilige Land

Die Rückkehr des Esels ins Heilige Land

Von Paul Badde

Lukas erwähnt den Esel erst, als er Jesus auf seinem Rücken nach Jerusalem hoch trägt, zur Passion, jedoch nicht im Bericht seiner Geburt. Kein Wort davon, daß der Atem eines Esels den Neugeborenen in Bethlehem angehaucht und gewärmt haben soll. Doch wer sonst sollte Maria zu ihrer Niederkunft getragen haben? Seit der Antike galten Esel als die Könige der Lasttiere, obgleich der Begriff „König“ bei ihnen natürlich nicht falsch verstanden werden darf. Esel sind keine Löwen. Seine Ohren wird keiner mit einer Krone verwechseln. Sein graues Fell lässt weder einen ordinären Schimmel noch einen Rappen gelb vor Neid werden.

Gleichwohl hat dieses wohl liebenswerteste unserer Mitgeschöpfe Vorzüge, die Menschen vielleicht am meisten fehlen. Er ist enorm belastbar, zuverlässig widerborstig und extrem eigenwillig – wobei sein Eigenwille den Esel immer auch vor vielem Unsinn bewahrte, den seine Reiter mit ihm im Schilde führen mochten. Kriege waren mit Eseln nicht zu führen.

Sein Charakter war durch Dressur nie zu verbiegen. Seiner Domestizierung hat er seit der neolithischen Revolution immer recht enge Grenzen gesetzt. Für Futter tut er nicht alles, sondern nur das, was seiner Art entspricht. Dieser unspektakulären Treue zu sich selbst wegen galt der Esel deshalb wohl auch schon im Altertum als Esel: als schwer belastbarer Dummkopf. Im gestreckten Galopp hat ihn deshalb noch keiner gesehen – oder gar im Zirkus, wo sogar Löwen zum Knall der Peitsche durch brennende Reifen springen und Elefanten tanzen und lächerliche Pirouetten drehen.

Doch leider haben auch seinen trittsicheren Tippelschritt in letzter Zeit immer weniger gesehen, oder die stoische Ruhe, mit der er in der Sonne vor sich hindöst. In Italien Griechenland oder Spanien muß heute sehr lang fahren, wer sein markerschütterndes Eselswiehern noch einmal hören will: dieses himmelschreiend sich verschluckende Husten, Schluchzen und Schreien und Bellen, von dem völlig unerfindlich ist, welche Dichter es jemals als „I-A“ wiedergeben konnten.

Ist es nicht eher eine der erschütterndsten Vorformen der Psalmen oder überhaupt des menschlichen Gebets? Wie auch immer. Im Paradigmenwechsel des Verschwindens der Esel ist es nun weitgehend mit verstummt. Sein letztes ungleiches Rennen hat der Esel nicht gegen Pferde, sondern gegen Jeeps und Mountain-Bikes verloren, als Abschied, den wir kaum mitbekommen haben.

Der Esel stirbt aus ums Mittelmeer. Nicht jedoch in Bethlehem, wie man heute hinzufügen muß, oder in dem abgesperrten Gaza, wo er den Wettstreit gegen die alten rostigen Chevrolets noch nie so richtig verloren hatte. Nach Bethlehem aber, wie auch in die anderen Städte des Westjordanlandes, ist er im letzten Jahr im traurigen Triumph wieder zurück gekehrt. Kinder, denen kein Vater ein Moped anvertrauen würde, regieren und lenken ihn hier wieder wie eh und je mit einem Stecken und ihrem Schenkeldruck über Stock und Stein, quer über jeden Hügel, durch jedes Geröll. Der Grund ist einfach. An den Checkpoints rund um die Stadt Davids ist außer auf einem Esel oder zu Fuß kein Durchkommen, wenn man es eilig hat. Eine gewisse Fatima Nasser Abed ist erst vor einem Monat an einem dieser Kontrollpunkte niedergekommen. Andere Mütter sind im letzten Jahr in den Staus der Blechkarawanen verblutet, die sich zwangsläufig vor diesen Armeeposten bilden. Im ersten Jahrhundert des 3. Jahrtausends wäre Joseph vor Bethlehem deshalb wieder gut beraten, Maria den gelenkigen X-Beinen eines Esels und keiner Ambulanz anzuvertrauen, wenn er seine schwangere Verlobte schnell und sicher zur Geburtsgrotte bringen wollte – wie damals, als gut zweihundert Jahre nach der Geburt Jesu ein unbekannter Verfasser erstmals davon erzählte, wie Joseph „die Eselin sattelte und Maria darauf setzte“, um die Hochschwangere nach Bethlehem zu bringen.

„Als sie etwa drei Meilen von Bethlehem entfernt waren, wandte sich Joseph zu Maria und sah, daß sie traurig drein schaute“, heißt es da. „Er dachte bei sich: ‚Vielleicht tritt das Kind sie.’ Als er sich nochmals umdrehte, sah er, daß sie lachte. Da fragte er: ‚Was hast du, Maria, daß du bald lachst und bald traurig bist.’ Maria antwortete: ‚Ich kann zwei Völker erkennen, eines weint und trauert, das andere freut sich und jubelt. ... Hilf mir vom Esel herunter, das Kind drängt und will heraus.“ Natürlich wird Joseph dann auch das Tier mit in die Höhle genommen haben, erst recht, wenn es damals wieder so schüttete wie in diesen Tagen, eiskalt, und wo durch die weihnachtlichen Nebel dieser Tage leider nur zwei traurige Völker zu erkennen sind: beide weinend und trauernd.


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